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Aus meiner Sicht ganz klar, nein! Aber ich gebe es unumwunden zu: In dieser Beziehung bin ich auch kein Vorbild. Ich habe zu viel Zeit für meinen 100% Job und zu wenig für Familienarbeit aufgewendet. Als alter Babyboomer, rede ich mir ein, habe ich zumindest eine halbe Ausrede. Heute geht das ja viel einfacher und Männer aus den nachfolgenden Generationen sind auch viel offener dafür. Millennials und Generation Z werden sich also selbstverständlich viel intensiver an der Kinderbetreuung beteiligen.
Ja, denkste!
Eine neue Studie (siehe Artikel 1, 2, 3) hat diese
Überzeugung ins Wanken gebracht und mich ein bisschen erschüttert.
Was sind die Findings dieser Studie?
Diese Studie aus Deutschland hat untersucht, wie Väter und
Mütter die gewonnene Zeit verwenden, wenn sie flexibel arbeiten können. Sprich,
wenn sie Home Office machen oder ihre Arbeitszeit selbst bestimmen können.
FlexWork verstärkt die die traditionelle Rollenverteilung!
Klar, Familie und Beruf zu vereinbaren, ist nicht einfach.
Speziell seit immer häufiger beide Elternteile arbeiten. (2) Im betrieblichen
Umfeld unterstützen wir mit Home Office und flexiblem Arbeiten. So
dachte ich und so dachten wir wohl fast alle.
Wozu nutzen Väter und Mütter Home Office?
Zuerst einmal um mehr (fürs Geschäft) zu arbeiten. Mütter
eine zusätzliche Stunde pro Woche, Väter zwei. Für die Kinderbetreuung wenden
Mütter wöchentlich drei zusätzliche Stunde auf, wenn sie Home Office machen.
Und Väter? Keine, Null, nada! Männer wenden nicht mehr Zeit auf für Kinder. (1)
Aber es kommt noch dicker
Bei flexiblen Arbeitszeiten sind die Unterschiede nämlich
noch ausgeprägter. Auch hier arbeiten Mütter eine knappe Stunde mehr für den
Brotjob, Väter sogar 3.5 Stunden (meist unbezahlt). Um die Kinder kümmern sich
Frauen zusätzlich 1.5 Stunden, Männer hingegen eine Stunde weniger! (1)
Ebenfalls bemerkenswert: In keinem der beiden
FlexWork-Modelle gibt es einen Gewinn an Freizeit. (1)
Was sind die Gründe?
Tja, das habe ich mich auch gefragt. Wollen auch moderne
Männer nicht mehr Familienarbeit übernehmen? Haben sie zu wenig Interesse
an den Kindern? Oder zumindest keine Lust auf die alltägliche Kinderbetreuung –
sind sie eher für die „Quality Time“ zuständig? Sind sie demnach ganz froh,
wenn sie den Job als Ausrede vorschieben können?
Oder stehen Männer auch heute immer noch viel stärker als Frauen unter Druck, Karriere zu machen?
Von der Gesellschaft, der Firma, der Familie, der eigenen
Frau?
Ist die Selbstachtung bei Männern stärker von der Karriere
abhängig? Haben wir Angst, in der Firma als Loser und vor Kollegen als Weichei
zu gelten, wenn wir vermehrt Familienarbeit übernehmen?
Oder wollen das Frauen gar nicht?
Weil wir es vielleicht nicht genau so (oder so genau) machen wie sie?
Brauchen Männer in der Familienarbeit mehr Empowerment?
Ist für die meisten Männer die intrinsische Motivation für
den Job so viel grösser als für die Familie(narbeit)? Wertschätzung,
Anerkennung, Spass, Handlungsspielraum, Kollegen, Einfluss, Selbstwirksamkeit? Falls
ja, weshalb? Hat es damit zu tun, dass Männer strikte trennen zwischen sich
täglich wiederholender Betreuungsarbeit und der sogenannten „Quality Time“?
Lässt sich die Studie überhaupt auf unsere Situation übertragen?
Das ist eine Studie aus Deutschland; das müsste man zuerst mal noch
bei uns in der Schweiz untersuchen! Kann sein. Aber es gibt weitere deutliche
Anzeichen, dass sich die traditionellen Rollenmuster nicht oder nur unmerklich
auflösen. Trotz bestehenden Angeboten (6) arbeiten immer noch viel weniger
Väter als Mütter Teilzeit und viele Väter beziehen nicht einmal ihren
Vaterschaftsurlaub (vollständig).
Welche Lösungsansätze bieten sich an?
Politische
Erwähnt wird die Ausweitung der Partnermonate im Elterngeld. (1) In der Schweiz diskutiert man aktuell über die Verlängerung des
Vaterschaftsurlaubs.
Gesellschaftliche
Die fixe Idee, dass Kinderbetreuung in erster Linie
Frauensache sei (selbst wenn beide Partner ähnliche berufliche Verantwortung haben),
muss überwunden werden. (4)
Individuelle
Männer müssten Teilzeitarbeit in ihrer Firma resoluter
einfordern und sich nicht so einfach abspeisen lassen. Frauen ihrerseits
dürften ruhig auch stärker als bisher von ihren Partnern fordern, dass diese
ihr Pensum reduzieren. (6)
Ein paar Tipps an die Väter aus dem Artikel von Glazer (4):
- Du bist Vater, nicht Babysitter
- Wenn du übernimmst, übernimm alles, was dazu gehört. Finde es heraus.
- Wenn du dich um die Kinder kümmerst oder kurzfristig kümmern musst, begründe dies in der Firma nicht mit einer faulen Ausrede (wie etwa: meine Frau ist heute verhindert). Steh dazu.
· Betriebliche
Gar stärker als in der Gesellschaft ist in den Firmen zumindest
unterschwellig das traditionelle Rollenmuster immer noch weitverbreitet: Väter als „Ernährer“
und Mütter als „Betreuerinnen“. (1, 3, 4). Eine Reduktion des Arbeitspensums
ist meist noch ein Karrierekiller. (7) Zu oft ist es für Väter noch tabu, offen zum Ausdruck zu bringen, dass sie familiäre Verpflichtungen haben, die
ihre Aufmerksamkeit erfordern. (4)
Mitarbeitende sollten spüren, dass ihre familiären
Verpflichtungen ihren Führungskräften nicht egal sind. Und sie sollten
miterleben, dass die Führungskräfte sich auch um ihre eigene Familie und
Verpflichtungen kümmern. Sie werden es ihnen mit Motivation, Einsatz und
Loyalität danken. (4)
Es geht also weniger um HR Policies als um Kultur und Empowerment (5)
Trotzdem können natürlich HR-Initiativen zum Kulturwandel
beitragen. Ich denke da an explizite Aktionen, um Teilzeit bei Männern zu
fördern: Teilzeitmann (6) oder auch das Angebot, für eine befristete Zeit
Teilzeit auszuprobieren (Teilzeit auf Probe).
In eine ähnliche Richtung geht die Förderung von Job bzw.
Top Sharing. Braucht ein bisschen Mut (von den Teilnehmern und der Firma), ist
aber das beste Argument dagegen, dass in bestimmten Jobs Teilzeit nicht geht. Lerneffekte
zwischen dem Job Sharing zu Hause und dem im Betrieb sind dazu noch geschenkt.
Übrigens: Wir sind uns wahrscheinlich einig, dass
alleinerziehende Eltern nicht das einzig funktionierende Modell ist. Wieso soll
es dann der „alleinführende“ Vorgesetzte sein?
Und zu guter Letzt, was ich schon seit mindestens 30 Jahren
immer wieder höre: Skills, die man/frau sich in der Familien-/Betreuungsarbeit
aneignet, sind wichtig für Führungs- oder andere verantwortungsvolle Aufgaben
im Unternehmen. Schön gesagt – wenig umgesetzt.
Es wäre nun an der Zeit!
Besprochene / verwendete Artikel
2) Alexander Hagelüken: Homeoffice zementiert traditionelle Rollenbilder [LINK]
3) Home-Office: Flexibilität fordert mehr Überstunden [LINK]
4) Robert Glazer: It’s Time for Some Dads to Step-Up for Working Moms [LINK]
5) Julie Provino: How can HR create change for women at work in the Post-#MeToo era? [LINK]
6) Andrea Vetsch : Väter schaukeln lieber Karriere als Kinder [LINK]
7) Für Väter gilt: lieber Vollzeit als Teilzeit! [LINK]
=> Siehe auch mein Post «Home Office - Innovationskiller?» [LINK]
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